Trockene Augen bei Erkrankungen der Schilddrüse
Die Schilddrüse ist eine zentrale Steuerungsstelle für Stoffwechselvorgänge. Daher sind Stoffwechselstörungen typische Folgen von einer Schilddrüsenerkrankung. Auch die empfindlichen Augen können von den Auswirkungen betroffen sein, weshalb viele Patienten mit einer Erkrankung der Schilddrüse über trockene Augen klagen.
Die Schilddrüse reguliert den Stoffwechsel
Im gesunden Zustand besitzt der menschliche Körper ein fein ausbalanciertes Hormonsystem. Die Schilddrüse ist maßgeblich daran beteiligt, dieses Hormonsystem und damit auch verschiedene Stoffwechselvorgänge zu steuern. Tritt eine Fehlfunktion der Schilddrüse auf, wird das Gleichgewicht der Hormone gestört. Der gesamte Stoffwechsel ist dann betroffen.
Eine erkrankte Schilddrüse weist oftmals eine Über- oder eine Unterfunktion auf, was bedeutet, dass zu viele oder zu wenige Hormone produziert werden. Die häufigste Form der Überfunktion ist die sogenannte Autoimmunerkrankung Morbus Basedow (auch: Graves disease), eine Unterfunktion hingegen wird meist von der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis verursacht. Bei beiden Formen können – neben vielen anderen Begleiterscheinungen – trockene Augen entstehen.
Bei der Erkrankung der Augenhöhle, die aufgrund einer Schilddrüsenfehlfunktion auftritt, spricht man von einer endokrinen Orbitopathie. Sie betrifft zehn Prozent der Schilddrüsenerkrankten, davon treten über 90 Prozent der Fälle in Verbindung mit der Autoimmunerkrankung Morbus Basedow auf und 60 Prozent1,2 in Verbindung mit einer Schilddrüsenüberfunktion. Selten findet man sie auch im Zusammenhang einer Hashimoto-Thyreoiditis.
Die Ursache der endokrinen Orbitopathie ist bisher weitestgehend ungeklärt. Als wahrscheinlich wird eine Autoimmunerkrankung angesehen. Dabei richtet sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen die Strukturen des eigenen Körpers und greift im Fall der endokrinen Orbitopathie vermutlich bestimmte Bereiche der Augenhöhle an. Die Augen der betroffenen Patienten stehen (einseitig oder beidseitig) stark hervor (Exophthalmus), was zu einer massiven Benetzungsstörung führt.
Trockene Augen bei Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion schüttet die Schilddrüse zu wenig von den Hormonen Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) aus. Durch den Hormonmangel wird der gesamte Stoffwechsel des Körpers gedrosselt, was eine schleichende Ausbildung von Symptomen nach sich zieht. Die häufigsten beobachteten Beschwerden der Schilddrüsenunterfunktion sind:
- Erschöpfung, Kraft- und Antriebslosigkeit (Adynamie)
- Haarausfall
- Gewichtszunahme
- Verlangsamte Herzfrequenz, niedriger Blutdruck
- Nachlassende Konzentrationsfähigkeit
- Verstopfungen (Obstipationsneigung)
Zudem erscheint die Haut häufig rau und trocken, die Augen können geschwollen sein. Der Grund dafür kann ein sogenanntes Myxödem sein. Dabei werden vermehrt Eiweiß-Zucker-Säure-Verbindungen in das Fettgewebe der Unterhaut eingelagert, so dass die Haut aufgequollen und teigig erscheint. Die Schwellungen rund um das Auge führen dazu, dass die Augenlider nicht mehr vollständig geschlossen werden können – In der Folge trockenen die Augen aus. Da der Lidschlag die Tränenflüssigkeit regelmäßig über dem Auge verteilt, ist er für die Befeuchtung des Auges unerlässlich.
Generell gehören trockene Schleimhäute zu den Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion. Mund, Nase, Rachen und Augen können aufgrund der fehlerhaften Hormonregulation des Körpers nicht genug Flüssigkeit produzieren.
Trockene Augen bei Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
Im Gegensatz zur Schilddrüsenunterfunktion bildet die Schilddrüse bei einer Überfunktion zu viel der Hormone T3 und T4. Auch das wirkt sich auf den Stoffwechsel aus: Er ist regelrecht überaktiv. Typische Symptome sind:
- Reizbarkeit, Nervosität
- Hoher Blutdruck und Puls
- Gewichtsverlust
- Durchfall
- Muskelschwäche und Muskelschmerzen
In den meisten Fällen liegt einer Schilddrüsenüberfunktion die Basedowsche Krankheit zugrunde. Bei dieser Autoimmunerkrankung werden die hormonproduzierenden Zellen der Schilddrüse durch das eigene Immunsystem angegriffen. Sie produzieren dadurch, völlig losgelöst vom tatsächlichen Bedarf des Körpers, ein Überangebot an Hormonen. Diese Immunreaktion kann meist durch Schwellungen am Unterschenkel (prätibiales Myxödem) oder in den Augenhöhlen (endokrine Orbitopathie) beobachtet werden.
Symptome der endokrinen Orbitopathie
Liegt eine endokrine Orbitopathie vor, führt die entzündliche Immunreaktion in der Augenhöhle zu einem Anschwellen des Gewebes. Das Auge tritt in der Folge aus der Augenhöhle hervor (Exophthalmus), die Augenmuskeln sind verdickt und es treten Sehstörungen auf.
Weitere Symptome für eine endokrine Orbitopathie sind:
- Tränende, brennende Augen
- Fremdkörpergefühl
- Lichtempfindlichkeit
- Rote Augen
- Hornhaut– oder Bindehautentzündung
- Lidschwellungen
- Oft schmerzhaftes Druckgefühl, Kopfschmerzen
- Doppelbilder
Da das Auge aus der Augenhöhle hervortritt und die Lider oft nicht mehr vollständig geschlossen werden können, trocknet die Hornhaut zusätzlich aus.
Trockene Augen bei Erkrankungen der Schilddrüse: Das macht der Arzt
Besteht der Verdacht, dass die trockenen Augen aufgrund einer Erkrankung der Schilddrüse vorliegen, werden verschiedene Untersuchungen vorgenommen, um die Ursache zu klären. Allen voran steht ein ausführliches Gespräch (Anamnese), bei dem der Arzt die Vorgeschichte und sämtliche Symptome aufnimmt. Anschließend werden der Augendruck und die Beweglichkeit des Augapfels untersucht, das Gesichtsfeld und die Lidspaltenweite können bestimmt werden.
Durch eine Blutuntersuchung lässt sich erkennen, ob ein Mangel oder ein Überschuss an Schilddrüsenhormonen vorliegt. Eine Kernspinuntersuchung macht die Muskelschwellungen der Augenhöhle sichtbar und gibt Aufschluss über die Ausprägung der endokrinen Orbitopathie.
Behandlung von trockenen Augen bei einer Erkrankung der Schilddrüse
Egal ob die trockenen Augen durch eine Schilddrüsenunter- oder überfunktion ausgelöst werden, die Therapie besteht zunächst darin, den Hormonspiegel zu normalisieren. Bei einer Unterfunktion bedeutet das, synthetisch hergestelltes Thyroxin einzunehmen, welches die fehlende Hormonwirkung im Körper (Substitution) ersetzt. Wenn der Patient einmal auf die richtige Hormondosis eingestellt ist, verschwinden meist alle Symptome einer Unterfunktion – auch die trockenen Augen.
Bei einer Überfunktion kann mithilfe bestimmter Medikamente (Thyreostatika) die Schilddrüsenfunktion gehemmt werden. Langfristig wird zumeist durch eine Radiojodtherapie überaktives Schilddrüsengewebe zerstört. Eine Operation der Schilddrüse erfolgt, wenn diese stark vergrößert ist.
Diese Maßnahmen helfen meist schon, auch die Augensymptome der Basedowschen Krankheit zu verbessern. Zusätzlich können bei trockenen Augen befeuchtende Augentropfen oder eine pflegende Augensalbe verwendet werden, um die Augenfunktion aufrecht zu erhalten und die Symptome von trockenen Augen zu lindern. Eine spezielle Lichtschutzbrille hilft gegen eine hohe Lichtempfindlichkeit.
Sind die Beschwerden am Auge stark, kann mit einer Bestrahlung des Augengewebes oder der Gabe von Arzneimitteln aus der Wirkstoffgruppe der Glucocorticoide die Entzündung eingedämmt werden. Eine Operation der Augen wird erst in Erwägung gezogen, wenn der Sehnerv bedroht ist oder kosmetische Einschränkungen vorliegen.
1 Grehn: Augenheilkunde 31. Auflage, Springer Berlin 2012, Seite 246
2 Thiemes Innere Medizin: TIM, Thieme Verlag Stuttgart 1999, Seite 179